Fridfull im Dezember: Rituale für ein ruhiges Weihnachten

Kerzen auf Holzbank mit Tannengrün - Hero Bild

Weihnachten muss nicht laut sein.

Draußen liegt ein sanfter Dunst über der Welt. Das Licht ist gedämpft, kaum Bewegung, nur das leise Knistern der letzten Blätter unter den Schuhen. Es riecht nach verbranntem Holz aus den Kaminen.

Es ist Dezember – die Zeit, in der Stille spürbar wird.
Es ist Dezember – eine Zeit der zwei Gesichter.

Auf der einen Seite blinkt und rauscht es überall: Termine, Geschenke, To-do-Listen. Auf der anderen Seite liegt da diese Sehnsucht nach Ruhe, nach echten Momenten und Nähe.
Ich finde, dass die Schweden hierfür einen zauberhaften Begriff haben, wenn alles friedlich und im Gleichgewicht ist, „Fridfull“. Ein Wort, das mehr als nur Stille meint: Es beschreibt für mich vielmehr ein Gefühl innerer Ruhe, von Frieden mit sich selbst und der Welt.

Und wie all diese Begriffe, ist auch Fridfull kein Zustand, den man planen kann. Man spürt es im Inneren. Dann, wenn wir loslassen, langsamer werden und uns wieder auf das Wesentliche besinnen.
In einer Welt, die sich im Dezember oft in Glitzer, Termine und Lärm verliert, ist Fridfull für mich ein leises Flackern in der Dunkelheit. Eine Erinnerung daran, dass Nähe, Wärme und Verbundenheit mehr denn je zählen. 

Wenn Weihnachten sich anders anfühlen darf

Wer kennt es nicht: Man rennt der Perfektion hinterher – das perfekte Menü, die perfekte Dekoration, das perfekte Geschenk. Ich schließe mich hier gar nicht aus. Woran erinnere ich mich aber am meisten: nie an das Materielle, sondern an ein Lachen, ein Gespräch, ein stiller Moment am Abend, wenn das Licht gedämpft und die Welt draußen leiser war.

Davon möchte auch ich mehr. Daher habe ich für mich gelernt: Weihnachten ist keine Aufgabe. Es ist ein Zustand und dieser Zustand darf friedlich sein. Ein Glück, dass mein Mann mit all dem materiellem Wahnsinn auch nichts anfangen kann und wir die gemeinsame Zeit lieber vor dem Kamin, mit Düften aus Kräutern, würzigem Gebäck und einer Schüssel wärmenden Eintopf oder Geschmortem (oder ein einfacher Nudelauflauf) genießen.

Rituale, die Ruhe schenken

In Schweden habe ich die Kraft der Rituale kennengelernt. Sie scheinen etwas Alltägliches zu sein, im Sommer wie auch im Winter. Sie schaffen Struktur, Erdung und Geborgenheit.

Hier sind einige kleine, einfache Rituale, die dich begleiten können:

  1. Das Licht zelebrieren
    Jede Kerze, die du anzündest, ist ein kleines Symbol der Hoffnung. Mach daraus ein bewusstes Ritual: eine Kerze am Morgen, während der Tee zieht. Eine am Abend, bevor du ins Bett gehst.
  2. Natur ins Haus holen
    Nichts duftet herrlicher als Tannengrün im Haus. Ein Tannenzweig auf dem Tisch, ein paar getrocknete Orangenscheiben mit Nelken gespickt, Zapfen und Moos. Schönheit muss nicht laut sein. Die Natur schenkt uns Ruhe und verbindet uns mit dem Kreislauf des Lebens.
  3. Entschleunigte Geschenke
    In diesem Jahr schenken mein Mann und ich uns einfach nur Zeit und Nähe. Alles andere haben wir schon und wenn wir doch etwas brauchen, dann kaufen wir es uns eh. Für Freunde und Familie gibt es Selbstgemachtes, Regionales, Dinge mit Geschichte.

    Wähle mit Herz, nicht mit Eile. Und erinnere dich: Nähe ist das größte Geschenk.

  4. Der stille Sonntag
    Die Adventssonntage müssen nicht mit der ganzen Familie stattfinden. Es kann schön sein, Freunde und Nachbarn zum Kuchen und Plätzchen essen zu treffen. Um denn Stress in dieser Zeit zu senken, lohnt es sich die Sonntage in Stille zu genießen: ohne Termine, kein Handy, kein Lärm, kein Anspruch. Nur du, dein Zuhause, vielleicht ein Spaziergang, ein einfaches Essen. Frieden darf beginnen, wo du ihn zulässt.

Kleiner Wissensschatz aus dem traditionellem Schweden

In Schweden ist Weihnachten nicht laut, sondern leuchtend still. Lichter in den Fenstern, Kerzen auf Tischen, der Duft von Kardamom, Vanille, Zimt, Saffran und Ingwer liegen in der Luft. Jul ist in Schweden das wichtigste Fest des Jahres. Der Advent ist eine Zeit der Vorfreude und Gemeinschaft. 

Der Weihnachtsstern – Julstjärna:
Jeder hat bei IKEA schon mal diese weißen Fenstersterne gesehen oder sich sogar gekauft, entweder zum hinstellen oder aufhängen, zusammenklappbar, gut zum Verstauen. Diese Sterne finden ihren Ursprung in den 1930er Jahren als in Herrnhut eine veritable Adventssternfabrik heranwuchs und die bekannten Herrnhuter Sterne in andere Länder exportiert wurden – so auch nach Schweden. Diese Sterne waren im Einkauf sehr teuer, sodass sich zwei Männer 1944 Gedanken machten das Potential dieses Sterns weiterzuentwickeln und die Produktion für den schwedischen Markt begannen: nach Herrnhuter Vorbild, jedoch bedeutend günstiger und zusammenfaltbar. Darunter übrigens Erling Persson, der später den Riesenkonzern Hennes & Mauritz (H&M) gründete. In den ersten Jahren wurden Hunderttausende Sterne verkauft und Schweden erhielt ein neues winterliches Aussehen. Die Popularität der Sterne schwankt natürlich wie bei allen Konsumgütern. 

Das Lucia-Fest:
Der 13. Dezember ist der Märtyrerin Lucia gewidmet, einer christlichen Jungfrau, die im 3. Jahrhundert in Syrakus lebte. Das heutige schwedische Lucia-Luciafest hat nicht wirklich etwas mit Italien zu tun. Im 19. Jahrhundert feierte man Lucia hauptsächlich zu Hause – ein Fest des Lichts in der dunklen Jahreszeit. Ein Stück Hoffnung auf die anstehende Sonnenwende und die zurückkehrenden längeren Tage und Sonnenschein. Etwa 1927 erfuhr das Fest seinen großen Durchbruch, als eine Zeitung eine Lucia-Prozession durch Stockholm arrangierte.

Heute findet man das Lucia-Fest überall in Schweden verbreitet, als festen Bestandteil im Dezember in den Schulen, Kliniken, Altenheimen und Dorfkirchen. Dazu wird traditionell Saffrangebäck (Lussekatter) gereicht. Man könnte meinen, der tiefe Sinn und die Bedeutung aus den Bauernhäusern ginge durch die jährliche Prozession verloren. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, vor allem dann, wenn man auch hier diesen Moment der Nähe und inneren Wärme ganz bewusst aufnimmt und sich dazu entscheidet einmal innezuhalten. 

2013 in Uppsala, in meinem Auslandssemster, habe ich Lucia in der Stadtkirche miterlebt und ich war tief beeindruckt. Noch immer denke ich mit einem warmen Gefühl daran zurück. 

Das schwedische Weihnachtsfest:  
Weihnachten ist das wohl wichtigste Fest im Jahr für die Schweden. Im Advent erweckt eigentlich nur der erste Advent allgemeine Aufmerksamkeit. Früher begann mit dem 1. Advent eine vorweihnachtliche Fastenzeit, die jedoch mit den Jahrhunderten immer mehr verdrängt wurde. Insbesondere dann als „die Schweden das System der Selbstversorgung, in dem jeder Haushalt selbst produzierte, (…) aufgaben“ – alles was benötigt wird, wurde durch Einkäufe bei Händlern und in Geschäften ersetzt. Damit ist auch die Versuchung, vorweihnachtliche Freuden zu genießen, gestiegen. Nicht gerade zur Freude der Theologen, aber so ist nun einmal der Wandel der Zeit. Interessant ist, dass viele Gebräuche aus Deutschland stammen, die um 1870 nach Schweden gekommen sind: Die Adventstanne (daraus entwickelte sich der Bogen mit den 7 Lichtern, die man in den schwedischen Fenstern sehen kann), der Adventskalender, der Tannenbaum oder auch der Adventsstern.

Das typisch schwedische Weihnachten „Jul“ ist von viel Licht, natürlichen Materialien, einem Jul-Tomte (Weihnachtsmann) und selbstgemachten Gebäck geprägt. Als ich 2013 über die Weihnachtszeit mein Auslandssemester verbrachte, ist mir aufgefallen wie wenig Weihnachtskekse, – schokolade, -pralinen etc. in den Läden vorhanden war. Auch fertiges Rotkohl (ich weiß, sehr Deutsch) habe ich nicht gefunden. Meine Eltern wollten mich an Weihnachten besuchen, und ich war gezwungen Rotkohl selber zu machen.

Durch Gespräche und auch entsprechende Kochbücher habe ich erfahren, dass Familien und Freunde die Zeit nutzen, um all diese Dinge selbst herzustellen. Und ehrlich gesagt mag ich diese Einstellung immer noch. In den letzten 15 Jahren hat sich sicher auch in Schweden viel verändert, aber sich die Zeit zu nehmen, zu kochen und zu backen, eine gute Zeit mit den Liebsten zu verbringen – einmal nicht hetzen, sich bewusst Zeit zu nehmen – das ist geblieben.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass es zu Weihnachten nur das Beste auf dem Tisch gibt. Mit viel Liebe und Zeit. Das schwedische „Jul-Bord“ (Weihnachtstafel) ist noch heute stark vom ursprünglich bäuerlichen Weihnachten geprägt, viel Fleisch, Würste, Weihnachtsschinken, aber auch Milchreis, Hering in allen Varianten. Typische Gerichte sind:

– Eingelegter Hering mit Zitrone (Inlagd sill med citron)
– Köttbullar
– Janssons Versuchung (Janssons frestelse)

Die Zahl 7 hat nicht nur bei den Kerzen eine Bedeutung, auch bei einer festlichen Tafel. So haben mir Freunde aus Schweden gezeigt, was nie fehlen darf bei einem Fest: Gebäck. Und mit der Familie und guten Freunden reichen die Schweden 7 unterschiedliche Sorten an Gebäck und Keksen.

Eine üppig gefüllte Tafel mit allerlei Köstlichkeiten, ohne Zwang – denn jeder nimmt sich vom Buffet was er möchte.

Viele verbinden den Tag zudem mit einem ausgiebigen Spaziergang im Wald vor dem Essen oder einem Gang in die Sauna, bevor der gemütliche Teil beginnt.


Quelle: Schwedische Traditionen, Jan-Öjvind Swahn, Ordalaget, S. 99 – 137

Fridfull ist der Gegenpol zu Stress und Überfluss.

Man lässt das Jahr sanft ausklingen, feiert Gemeinschaft, aber ohne Hast. Vielleicht ist das der Grund, warum die schwedische Weihnacht so wohltuend wirkt. Alles geschieht in der typischen schwedischen Gelassenheit: kein Übermaß, kein Wettlauf, sondern Erdung. Vielleicht kommt auch daher das Gefühl in Schweden immer wieder auf, dass die Uhren langsamer ticken, weil man sich bewusst Zeit einräumt, für diese Dinge. Und nur dadurch kann man auch ihren Wert richtig schätzen und lieben.

Vielleicht ist das der Kern von Fridfull: Nicht das, was wir tun, sondern wie wir es tun. Mit Liebe, Ruhe und Bewusstsein.

Mein Impuls für Dich: Nähe statt Konsum
Vielleicht dürfen wir Weihnachten wieder so sehen, wie es gedacht war: Nicht als Wettbewerb, sondern als Einladung. Nicht als Pflicht, sondern als Möglichkeit, Nähe zu leben. Was, wenn dieses Jahr alles einfacher sein darf? Weniger Glanz, mehr Herz. Weniger Schein, mehr Sein.

Fridfull im Garten

Auch unser Garten ruht jetzt. Frost und Schnee decken die Beete ab, es glitzert, sie geben Licht in der Dunkelheit, kalter Wind weht durch die Bäume und Sträucher. Unser Garten braucht nichts, fordert nichts und dennoch ist er voller Leben. Unter der Oberfläche sammeln sich Kräfte, die im Frühjahr erwachen werden. Ich spreche immer davon, dass der Garten ein weiteres Zimmer deines zuhause ist. Mein Garten hat sogar mehrere kleine Zimmer, jedes hat ein anderes Thema. Egal wie viele Zimmer dein Garten hat, verbringe in jedem von ihnen einen kleinen Augenblick – warm eingepackt mit Jacke und Schal und beobachte deine Beete, deine Sträucher, Bäume, Stauden. Atme tief ein und spüre wie der Frieden des Gartens auf dich übergeht. Kein Lärm, kein Wollen, einfach nur Dasein. Es entsteht diese besondere Ruhe, in dem die Gedanken langsamer werden. – Spürst du es?

Vielleicht ist das der schönste Ort, um die Adventszeit zu beginnen.

Unser Garten darf aber auch im Dezember ein Ort der Begegnung bleiben und ein Raum der Wärme mitten im Winter: Ein kleines Feuer, Freunde oder Nachbarn, Glühwein in den Händen, Stimmen im Dunkel, Lachen zwischen Atemwolken. Ein kleiner Moment, in dem die Gemeinschaft spürbar wird, ohne etwas zu müssen.

Frieden beginnt im Kleinen

„Fridfull“ ist kein Ziel, sondern eine Haltung. Sie zeigt sich in kleinen Gesten: im liebevoll gedeckten Tisch, im stillen Moment am Fenster, im Gespräch ohne Eile. Sie ist eine Haltung, die man pflegt. Wenn du im Dezember spürst, dass dir alles zu viel wird – geh nach draußen. Atme. Schau auf das Licht, das du entzündet hast. Frieden beginnt im Kleinen: in dir, in deinem Garten, in deinem Zuhause.  

Welche drei Dinge würdest du loslassen, um dein Weihnachten wirklich fridfull zu machen?

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